Michael Dennis: „Möchte dem Sport etwas zurück geben“

Michael Dennis jubelt über einen Treffer seiner Mitspieler bei der Heim-EM in Rostock. Foto: Binh Truong / DBS

In unserer Interview-Reihe sprachen wir im August mit Michael Dennis (geb. Feistle). Der 28-jährige gebürtige Dürener stammt aus der Jugend der SSG blista Marburg, für die er 2021 in der Bundesliga auch wieder an den Start geht nach einem kurzen Gastspiel beim RGC Hansa. „Micha“ ist bereits seit 2012 Teil der Nationalmannschaft und erlebte die gesamte Entwicklung des Teams von den verpassten Paralympics in London bis zum Favoriten-Status in Tokyo mit.

goalball.de: Die Corona-Pandemie ist bis heute fester Bestandteil unseres Alltags. Was hat sich seit Ausbruch der Pandemie für dich verändert?

Michael: Zunächst war gar kein Training mehr möglich, mitten in der Pandemie bin ich umgezogen, habe geheiratet und ein neues zu Hause in Berlin gefunden. Für mich hat sich also vieles trotz Pandemie zum positiven verändert, was sonst hätte alles noch warten müssen. Als Bundeskadersportler darf ich zum Glück in Berlin am OSP und in der Halle ohne Einschränkungen trainieren. Die Wettkämpfe haben mir natürlich gefehlt aber auch hier ging es im Juli endlich wieder auf nationaler und internationaler Bühne um Punkte.

goalball.de: Du sprichst bereits deinen Umzug und die Hochzeit an. Wie kam es gerade zum Umzug nach Berlin?

Michael: das hatte primär private Gründe. Meine jetzige Frau Amanda und ich haben überlegt, wo wir gemeinsam leben können und wo auch sie als englische Muttersprachlerin gut Anschluss finden kann. Da wir zudem in Berlin noch einige Leute kannten und sich eine ganz gute Trainingsgruppe abgezeichnet hat für Goalball ist dann die Entscheidung für Berlin gefallen. Dazu haben wir die Möglichkeit die sehr guten Bedingungen am Olympiastützpunkt in Berlin zu nutzen um uns auch abseits des Feldes fit für die Spiele in Tokyo zu machen.

goalball.de: Neben dem sportlichen hat sich dein Augenmerk auch auf gesundheitliche Dinge verschoben in den letzten Monaten. Was ist da los und bist du bereit für die Paralympics?

Michael: Zu Jahresbeginn habe ich eine Verschleißverletzung am linken Knie diagnostiziert bekommen. Ich musste bereits letztes Jahr zum Arzt, weil ich immer häufiger starke Schmerzen im Knie hatte. Die Diagnose war nicht schön aber die Reha-Zeit nach der OP hätte zehn Monate betragen nach Aussage der Ärzte. Für mich stand sofort der Entschluss fest, dass die OP bis nach Tokyo warten muss, weil ich deswegen nicht auf die Paralympics und die Chance auf Gold verzichten wollte. Aber durch eine gute Behandlung bin ich aktuell soweit schmerzfrei, dass ich ohne Probleme einsatzbereit sein werde für Tokyo und sollte es schmerzen, werde ich mich da auch nochmal durchbeißen.

goalball.de: Du bist vom DBS offiziell am 19. Juli nominiert worden und bestreitest deine zweiten Paralympics. Welche Ziele hast du für dieses Jahr?

Michael: Ich möchte in Tokyo Gold gewinnen. Wir fahren als Vize-Weltmeister und Europameister nach Japan und wollen zeigen, was wir in den letzten Jahren erarbeitet haben und ganz besonders, dass die Verschiebung der Spiele für uns positiv war. Gerade, wenn ich sehe, was wir als Team in den letzten zwölf Monaten gelernt haben, würde ich ungern gegen Deutschland spielen wollen. Und diesem Ziel in Tokyo ordnet sich auch alles andere unter. Auf nationaler Ebene habe ich mir für dieses Jahr, auch wegen der Verletzung, keine festen Ziele gesetzt. Ich hoffe aber, dass wir 2022 dann mit einer Berliner Mannschaft starten können.

goalball.de: Du bist auch Abseits des Spielfelds sehr engagiert für den Goalball. Du warst viele Jahre in verschiedenen Funktionen im Vorstand in Marburg, bist seit 2018 stellvertretender Vorsitzender bei AktivGOAL und bist erst im Juli zum Vorsitzenden der Abteilung Goalball gewählt worden. Was treibt dich an, dass du so viel Zeit und Energie ins Ehrenamt steckst?

Michael: Zum Teil hat das mit meinen Großeltern zu tun. Beide waren über 40 Jahre ehrenamtlich in verschiedenen Vereinen aktiv. Ich habe ganz früh gelernt, dass man sich in Vereinen engagieren muss, damit man tolle Dinge erleben kann. Und genau das ist es, warum ich diese Ämter mache. Ich habe durch den Sport großartige Dinge erleben dürfen, die ich nie erlebt hätte. Zudem haben mich auf dem Weg viele Menschen auch charakterlich geprägt und mir geholfen, dass ich mich selbst weiterentwickeln kann, sportlich wie menschlich. Ich möchte so etwas zurück geben in den Sport und vielen Leuten die Möglichkeit geben, dass sie ohne Sorgen den Sport ausüben können, der ihnen Spaß macht und aus dem System ihre Motivation ziehen. Dazu können wir im Goalball im Vergleich zu anderen Sportarten einfach noch sehr viel bewegen und dinge entwickeln. Wir brauchen Leute, die kreative Ideen haben, sich auch im kleinen in unseren Sport einbringen. Am Ende möchte ich einfach, dass die Generation nach uns in der Nationalmannschaft eine tolle Struktur in Deutschland vorfindet.

goalball.de: Du hast schon mehrfach deine Frau angesprochen. Was bedeutet es dir, dass ihr gemeinsam die Paralympics erleben werden, zwar für verschiedene Nationen aber als kleine Familie und gibt es einen haushaltsinternen Wettbewerb?

Michael: Nein, einen Wettbewerb gibt es nicht, wer besser abschneidet. Zwar starten wir für verschiedene Länder, aber wir drücken uns gegenseitig die Daumen. In Tokyo kann ich das auch ohne schlechtes Gewissen, da unsere deutschen Damen leider nicht dabei sind. Es wird aber natürlich etwas ganz besonderes für uns beide sein, dass man ein solches Event gemeinsam erleben kann, auch, wenn wir viele Regeln befolgen müssen und uns trotzdem nicht wirklich viel sehen können. Aber wir dürfen die Spiele unserer Sportart schauen und ich denke, dass es ein emotionaler Vorteil sein kann, wenn der eigene Partner live vor Ort dabei sein kann um die Daumen zu drücken.

goalball.de: Das ZDF hat dich nach der Heim-EM als „Toni Kroos des Goalballs“ bezeichnet. Was macht dich als Spieler aus?

Michael: Ich bin ein sehr analytisch denkender Spieler. Ich versuche immer zu verfolgen und vorauszusehen, was der Gegner gerade vor hat um dann nicht nur reagieren sondern auch agieren zu können. Ich denke, dass ich viele Situationen über meine Erfahrung und Ruhe klären kann. Dazu kann ich sehr gut Punkte treffen, da ich ohne Drehung werfe. Ich glaube, dass das die primären Dinge sind, die mich auf dem Feld ausmachen.

goalball.de: Du hast bereits mit den Herren viele Erfolge gefeiert. Hast du noch Ziele für die Zukunft über Tokyo hinaus?

Michael: Aktuell geht der volle Fokus auf Tokyo und danach schauen wir einmal weiter, was mögliche, neue Ziele sein könnten.

Foto: Binh Truong / DBS